69. AIX-PHILA-Auktion: Seltene Kolonial-Provisorien


Nachdem Teil I der Sammlung „Deutsche Auslandspostämter und Ko­lonien“ Ende Juni eine Fülle von tollen Ergebnissen erzielen und den Ge­samtausruf bei einer Verkaufsquote von fast 100% mehr als verdoppeln konnte, steigt nun wieder die Spannung, wenn am 6. Oktober 2021 die zweite Hälfte in einer Sonderauktion unter den Hammer kommt. Der Schwerpunkt liegt nun bei den eigentlichen Kolonialausgaben und dort besonders bei den Vorläufern mit einer großen Stempelvielfalt in überdurchschnittlich guter Erhaltung. Ähnlich wie beim 1. Teil hatte der Sammler darüber hinaus einen Narren an Provisorien mit allen möglichen Halbierungen und besonders an den Aufdruckausgaben aus der Zeit der Britischen Besetzung gefressen. Mehrere hundert Besonder­hei­ten dieser Epoche mit Raritäten, die teils in nur ganz wenigen Stück­zahlen existieren und die schon große Sammlungen geschmückt haben, dürften – vor allem bei den wiederum sehr zurückhaltend angesetzten Ausrufpreisen – überhaupt keine Probleme haben, neue Besitzer zu finden.

Vorliebe für Besetzungsmarken

Zwei Probe­aus­ga­ben eröffnen die Ver­stei­gerung: Los 1 zeigt die Serie Krone/ Adler in waagerechten Paa­ren je mit Aufdruck „Deutsch-Neuguinea“ auf der linken und „Deutsch Süd­west­afrika“ auf der rechten Marke (Ausruf 2500 Euro). Die nicht verausgabte 2 Pf Kaiser­jacht wird in je zwei senkrechten Paaren „Deutsch-Südwestafrika“ und „Karo­li­nen“ (Abbildung) bzw. „Samoa“ und „Ka­merun“ als Los 2 mit 3000 Euro ins Rennen geschickt.

Anschließend geht es mit Deutsch-Neu­guinea weiter, wo ein waagerechtes Paar der MiNr. 37d mit 1000 Euro an den Start geht (Los 4). Bei der Bri­tischen Besetzung beginnt der Auf­druck­wert 5 s auf 5 M und der Be­sonderheit „großes s“ mit 2500 Euro (Los 85), die beiden doppelten Auf­druckprovisorien 1 auf 2 d auf 10 Pf bzw. auf 20 Pf, beide aus der Samm­lung Lord Bute, fangen bei je 2500 Euro an (Los 133+134). Alle Einschrei­bezettel mit G.R.I.-Aufdrucken sind natürlich ebenfalls mit von der Partie, auch der aus Deulon!

Los 283 Deutsch-Ostafrika, eine der seltensten Typen der Ausgabe Kaiserjacht, die 3 Rupien MiNr. 39 IIAIIb in perfekt postfrischer Erhaltung, sollte wenigstens die veranschlagten 1300 Euro einbringen. Wiederum sehr reichhaltig vertreten sind auch hier die Ausgaben der Britischen Besetzung (Mafia) mit u. a. zahlreichen Aufdruckbesonderheiten sowie handschriftlichen Vermerken von Colonel Mackay. Mit Los 330 kommt die bisher einzig bekannte gestempelte Marke 6 C auf 1 Rupie Kaiserjacht mit doppeltem Aufdruck (MiNr. 18 DD) aus der Sammlung Lord Bute unter den Hammer (4000 Euro).

Weiter geht es mit Deutsch-Südwest­afrika: Auf der Titelseite des reich bebilderten Auktionskataloges springt das sogenannte VALDIVIA-Provisorium aus Ka­merun ins Auge. Auf einer Ansichts­karte, die nach Deutschland adressiert und als Einschreiben verschickt wurde, war ein Porto von 30 Pf vorgeschrieben, vorhanden waren aber nur noch Briefmarken zu 20 Pf. Die deutschen Behörden gestatteten es, die 20-Pf-Mar­ken diagonal zu halbieren und eine Hälf­te der normalen Marke zu 20 Pf beizukleben. Wer bei der vorliegenden Mar­ke genau hinsieht, bemerkt nun, dass diese Marke aus zwei Hälften exakt zu­sammengesetzt und aufgeklebt wur­de, so als ob der Postbeamte in seinem Über­eifer alle vorliegenden Marken zerschnit­ten und dann bemerkt hätte, dass kei­ne vollständige Marke zu 20 Pf mehr vorhanden war. Vielleicht war seine Überlegung, dass niemand etwas be­merkt, wenn er die zwei Hälften passgenau zusammenklebt. Der Startpreis beträgt 5000 Euro (Los 502). Übrigens gibt es als nächste Nummer noch einen weiteren VALDIVIA-Beleg, hier allerdings mit nur einer „normalen“ Halbierung (3000 Euro).

Auf den Karolinen wurden Marken zu 10 Pf mangels Marken zu 5 Pf halbiert oder Marken zu 3 Pf wurden mit „5 Pf“ überdruckt, um auf Post­karten verwendet zu werden. In PONAPE gab es diese Marken, wobei es dem Postmeister nicht immer gelungen ist, den Auf­druck vorschriftsgemäß anzubringen. Die Lose 539, 540 und 541 zeigen Post­karten mit normalem, doppeltem und kopfstehendem Aufdruck (600 und zweimal 1000 Euro). Es gab auch wenige Tage, an denen gar keine Mar­ken zur Verfü­gung standen. Also schrieb der Postchef mit der Hand einfach „5 Pf.“ auf die Postkarte und setzte den Poststempel darüber. Eine solche „Bar­frankierung“ geht bei AIX-PHILA unter Los 549 mit 2500 Euro in die Auktion.

Auch auf den Marschall-Inseln wurde aus dem Markenmangel eine Tugend gemacht: Eine halbierte Marke zu 10 Pf langte für eine eher unscheinbare Drucksachenschleife von JALUIT nach Deutschland (5000 Euro, Los 596). Mit je 4000 Euro werden zwei eingeschriebene Ansichtskarten sehr moderat ausgerufen, die mit halbierten Marken zu 50 Pf (rechte und linke Hälfte) frankiert und auf denen die Einschreibenum­mern handschriftlich eingetragen wurden (Lose 610+611). Natürlich glänzen auch hier wieder die zahlreichen Auf­druckwerte aus der britischen Besat­zungs­zeit.

Nicht anders ist es bei Samoa, wo neben der kompletten Auf­druck­serie aus der englischen Okkupation wieder etliche Auf­druckabarten auf der Liste stehen. Ein Lei­nenbriefstück aus der Vorläuferzeit mit drei Exemplaren der einzeln schon sehr raren 2 Mark mittelrosalila (Los 666) wird wohl kaum bei den angesetzten 3000 Euro stehen bleiben. Große Ra­ritäten auch bei den Aufdruckmarken der Britischen und Französischen Beset­zung in Togo: Los 766, Kaiserjacht 2 Mark mit teilweisem Doppelaufdruck, beginnt mit moderaten 3000 Euro, Los 785 (Abbildung), ebenfalls Kaiserjacht 10 Pf ohne Wasserzeichen – eine Mar­ke, von der keine Handvoll mehr existieren dürfte –, wird die angesetzten 2000 Euro sicher schnell pulverisieren so wie zahlreiche andere Marken dieses beliebten Sammelgebietes, die oft jahrelang kaum einmal angeboten wurden.

Internet: www.aixphila.de