3. ERIVAN-Auktion Altdeutschland: Briefe mit eigenen Geschichten
Der einzige vollständig erhaltene Brief mit dem berühmten Stockach-Provisorium beginnt mit 100 000 Euro.
Ursprünglich für den 13. Juni als Einzelereignis geplant, ist die 3. Runde des Verkaufs der ERIVAN-Sammlung Altdeutschland nun Bestandteil der 373. und 374. Heinrich-Köhler-Auktion vom 23. bis 27. Juni. Am letzten Tag der Versteigerungsserie, einem Samstag, kommen ab 14 Uhr über 300 Lose in den neuen Räumlichkeiten in der Wiesbadener Hasengartenstraße 25 unter den Hammer. Eine gute Gelegenheit, die Corona-Krise für einige Stunden zu vergessen. Denn viele der angebotenen Briefe erzählen ihre ganz eigene Geschichte: Es geht um säumige Zahler, Großbritanniens kleinste Kronkolonie, preußischen Ungehorsamkeit und vieles mehr.
Klärung für fremd entwertete Stockach-Provisorien
Das Stockach-Provisorium gehört zu den berühmtesten Briefmarken Altdeutschlands. Von den 18 erhaltenen Exemplaren sind 15 in Stockach verwendet. Doch zwei Marken wurden in Carlsruhe gestempelt. Der einzige vollständig erhaltene Brief mit einer ungezähnten 3-Kreuzer-Briefmarke ist dagegen in Freiburg entwertet und an „C. Dandler, Stockach“ adressiert. Die Verwendungsdaten liegen zwischen dem 24. Dezember 1867 und 22. Januar 1868. Die drei Stockach-Provisorien mit den „fremden“ Ortsentwertungen von Carlsruhe und Freiburg waren in der Vergangenheit immer wieder Gegenstand von Spekulationen, ob auch in diesen Städten ungezähnte Bogen oder Bogenteile der 3-Kreuzer-Briefmarke zur Verwendung kamen. Aufschluss in dieser Frage gibt die Analyse des Briefinhalts des einzigen vollständig erhaltenen Briefes. Um Geld von einem säumigen Zahler einzutreiben, legte der Kaufmann Constantin Dandler aus Stockach seinem Nachfrageschreiben beim Bürgermeisteramt in Waltershofen das Rückporto von 3 Kreuzern bei. Die versehentlich ungezähnte statt gezähnte 3-Kreuzer-Briefmarke hatte er erst kurz zuvor im Postamt in Stockach erworben. Im Bericht des Bürgermeisteramtes werden Wohnsitz und Arbeitsstelle des säumigen Zahlers Mathias Dorst in Carlsruhe erwähnt. Sehr wahrscheinlich hatte Constantin Dandler zuvor gleiche Anfragen auch beim Amt in Carlsruhe und bei Dorsts Arbeitgeber getätigt und ebenfalls Rückporto beigelegt. Der Brief aus Freiburg mit dem Stockach-Provisorium ist das Spitzenstück der 3. ERIVAN-Auktion und startet mit 100 000 Euro.
Eine interessante Geschichte erzählt auch ein Brief aus Helgoland vom 2. September 1866 mit vier 3-Schilling-Marken von Hamburg. Weil die Insel Helgoland für Großbritannien als die kleinste Kronkolonie des britischen Weltreiches völlig unbedeutend war, konnten Badegäste ab Mitte 1862 zunächst ihre Post nur mit Hamburger Marken frankieren. Erst am 1. Juli 1866 ging der Postdienst auf Großbritannien über. Die Briten lieferten zunächst keine eigenen Briefmarken für Helgoland. Der von der neuen englischen Postverwaltung übernommene Postagent Paul Volkers bekam bei seinem Besuch Ende Juni 1866 in Hamburg einen Vorrat hamburgischer Postmarken zur Verwendung in Helgoland. Anschließend benutzte er den von den Briten bereits um 1855 gelieferten Datums-Kreisstempel „HELIGOLAND“ zur Entwertung der hamburgischen Postmarken. Knapp zehn Monate später, im April 1867, ersetzten die neuen Helgoländer Markenausgaben die provisorische Verwendung der Hamburger Stadtpostmarken auf Helgoland.
Eine Form von Ungehorsam war die in den Altdeutschen Staaten meist nicht erlaubte Verwendung von Halbierungen. Auch hier sind Stücke ex ERIVAN Lehrbeispiele. Dazu gehören aus Preußen eine Halbierung der 2-Silbergroschen-Marke von 1850 auf Brief aus dem preußischen Minden in das Herzoglich Braunschweigische Holzminden, wo er mit Nachporto bestraft wurde, und ein weiterer Brief von der Behörde in Bromberg mit einer diagonal halbierten Marke zu 2 Silbergroschen und einem vollständigem Exemplar als 3-Silbergroschen-Porto. Die Ausrufpreise liegen bei 20 000 bzw. 50 000 Euro. Ebenfalls nicht zulässig war die Halbierung einer 1-Neugroschen-Marke von Sachsen und deren Verwendung zusammen mit einem ganzen Exemplar der 1⁄2 Neugroschen auf Brief (25 000 Euro). Schon der berühmte Philatelist Phillip von Ferrari, dessen Kollektion nach dem Ersten Weltkrieg von Frankreich als Entschädigung konfisziert wurde, schätzte diese große Sachsen-Rarität als ein ganz besonderes Stück seiner Sammlung.
In den vergangenen 90 Jahren nur ein einziges Mal angeboten wurde ein 40er- Bogenteil des „Schwarzen Einsers“ von Bayern mit „kleiner Brücke“. Das berühmte Unikat startet mit 100 000 Euro. Weitere Highlights der 3. ERIVAN-Auktion ist einer von nur drei bekannten Briefen, die mit den beiden ersten Marken Schleswig-Holsteins gleichzeitig frankiert wurden (18 000 Euro), und der einzige Einschreibebrief mit dem stummen Stempel von Tuttlingen (10 000 Euro).
Internet: www.heinrich-koehler.de