Originell oder inkompetent?
Sie kennen den berühmten Baden-Fehldruck, die teuerste deutsche Briefmarke? Gut! Dann wissen Sie ja auch, dass statt des für den 9-Kreuzer-Wert vorgesehenen rosa Papier blaugrünes zum Einsatz kam. Nur drei Exemplare der Baden MiNr. 4 F sind bekannt: eins auf Briefstück und zwei auf kompletten Briefen – einer davon ist ständig in der Schatzkammer im Berliner Postmuseum ausgestellt.
Der einzige im Handel befindliche Brief aus der Sammlung ERIVAN wurde im Juni 2019 für 1,26 Millionen Euro verkauft. Dieser Brief war die Grundlage für den Gestaltungswettbewerb des in diesem Monat erscheinenden Sonderpostwertzeichens zum Tag der Briefmarke. Woran denken Sie, wenn Sie sich die realisierte Marke anschauen? An eine falsche Papierfarbe? Wahrscheinlich doch viel eher an ein versehentlich kopfstehend in die Druckform eingebautes Klischee, das bei den Produktionstechniken im vorletzten Jahrhundert immer mal vorkam. Dabei gab es durchaus Entwürfe, die die Verwechslung der Papierfarbe durch eine Hinterlegung des rosafarbenen Papier andeuteten. Eine Mehrheit im Kunstbeirat, vor allem die Kunstprofessoren, fanden hingegen den verwirklichten Entwurf besonders originell. Einwände wegen der irreführenden Gestaltung durch den BDPh-Vertreter im Kunstbeirat während der Sitzung, auch später des BDPh-Vorstandes und sogar des Auktionshauses Heinrich Köhler, wurden als unsachlich abgewiesen. Das war im letzten Herbst, also ein Jahr vor der Herausgabe!
Mit etwas Verständnis und Wohlwollen wäre noch genug Zeit für eine Änderung gewesen. Doch daran fehlt es – neben der Kompetenz – seit vielen Jahren im Wertzeichenreferat im BMF. Die Belange der Briefmarkensammler und der organisierten Philatelie spielen dort keine Rolle. Das sieht man beispielsweise auch daran, dass die letztjährige Ausgabe zum Tag der Briefmarke mit dem Ausschnitt aus dem Bordeaux-Brief mit den beiden Mauritius-Marken nicht nach 2023 verlegt wurde, denn es war eigentlich die Ausgabe zu der nach 2023 verschobenen IBRA. Der maßgeblich dafür verantwortliche Referatsleiter Wolfgang Schelenz ist seit Juni im Ruhestand. Ob sich mit einer neuen Leitung etwas an der Einstellung im BMF ändert, ist mehr als fraglich. Wenn man sich die letzten 20 Jahre anschaut, muss man eher befürchten, vom Regen in die Traufe kommen. Insofern ist es vielleicht ganz gut, dass das diesjährige Sonderpostwertzeichen zum Tag der Briefmarke gar nicht offiziell vorgestellt wird. Auf eine solche „Marke für die Sammler“ können dieselben gerne verzichten. Sie sind keine Werbung für das Briefmarkensammeln. Da helfen auch nicht die Erklärungsversuche auf der durch die Deutsche Post initiierten Block-Ausgabe!
Jan Billion